Vorstellung des Kalenders "Eutin in alten Ansichten 2015"

Anlässlich einer kleinen Feierstunde stellt der Vorstand der Eutiner Bürgergemeinschaft e.V. im Beisein des Kreispräsidenten Ulrich Rüder, des Eutiner Bürgervorstehers Dieter Holst und des Eutiner Bürgermeisters Klaus-Dieter Schulz den Eutin-Kalender 2015 vor. Als Veröffentlichungsort hat der Verein das Traditionsgasthaus "Markt 17" gewählt.

 

Dieses Werk, das zum 34. Mal erscheint, ist in der Vergangenheit zu einem beliebten Geschenk für die Bürgerinnen und Bürger Eutins geworden. In den ersten Jahren der Kalendertradition erschienen Federzeichnungen mit bereits abgerissenen oder vom Abriss bedrohten Häusern. Von 1985 bis 1994 erschien der Kalender mit zeitgenössischen Farbfotos und erläuternden Texten auf der Rückseite. Seit 1995 trägt er das Motto "Eutin in alten Ansichten", damit liegt nun die 21. Ausgabe vor. Mit diesen 21 Kalendern existieren nun immerhin auch 273 einzelne Kapitel und bilden damit schon eine stattliche Sammlung stadtgeschichtlicher Episoden.

 

Dreizehn historische Ansichten zeigen Altstadtbilder. Auf den Rückseiten befinden sich ergänzende Ansichten und Auskoppelungen aus dem "Anzeiger für das Fürstentum Lübeck".

 

Einige Aufnahmen werden insbesondere bei älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern liebevolle Erinnerungen wecken, sie werden bei einigen Ansichten an ihre eigenen Jugendjahre denken. Der umfangreiche Textteil auf den Rückseiten erläutert die Geschichte der jeweiligen Abbildung auf der Vorderseite und beleuchtet auf diese Weise interessante Abschnitte der Stadtgeschichte des 19. Jahrhunderts.

Denn…  "Das Leben in Vereinen und Verbänden in Eutin um 1900" - so das diesjährige Motto des Kalenders. 

 

Nachdem die Bürgergemeinschaft Eutin e.V. im Sommer 2010 die Projektträgerschaft für die Digitalisierung des "Anzeigers für das Fürstentum Lübeck" übernommen hat, liegt nichts näher, als in diesem Kalender Eutin die Zeit um 1900 einmal etwas näher zu beleuchten. Das in Historikerkreisen so genannte "lange 19. Jahrhundert" beginnt, wissenschaftlich gesehen, mit der Französischen Revolution im Jahre 1789 und endet mit dem Zusammenbruch der alten Ordnung nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg im Jahre 1918.

Bereits im Jahre 1798 – nur neun Jahre nach der französischen Revolution - hat sich Hofbuchdrucker Benedict Christian Struve um die Konzession zur Herausgabe eines Wochenblattes für das Fürstentum Lübeck bemüht. Doch der Landesherr Peter Friedrich Ludwig scheint die Verbreitung liberaler oder gar demokratischer Ideen und damit Unruhe in der Bevölkerung zu befürchten, so dass er seine Genehmigung nicht erteilt. Erst im Jahr 1802 erhält Struve den Auftrag, eine Zeitung herauszugeben.

 

Das berühmte Zitat "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst", ist ein treffender geistreicher Ausspruch aus dem Jahr 1961, aber im späten 19. Jahrhundert ist eine solche Äußerung schlicht unnötig, weil in Eutin um die Jahrhundertwende bei etwa 5.000 Einwohnern ca. 80 Vereine und Verbände existieren.

 

Einer der ältesten und bis heute existierenden Vereine ist der Geflügelzuchtverein von 1874. Schon früh setzt er sich das ehrgeizige Ziel, noch im Gründungsjahr eine Rassegeflügelschau durchzuführen. Es werden dabei bereits rund 400 Tiere ausgestellt und bewertet. Von diesen Konkurrenten werden 56 mit ersten und zweiten Preisen ausgezeichnet. Die Herkunft der Preisträger weist bereits auf nationale Beteiligung hin, was zu dieser Zeit nicht selbstverständlich ist.

In den darauffolgenden Jahren werden im Anzeiger immer wieder aufklärerische Aufsätze veröffentlicht. Waren im Herbst 1876 noch "gelbe Italiener Hühner" zu vermitteln, deuten im weiteren Anzeigen daraufhin, dass die Rassegeflügelzucht ebenfalls Aufmerksamkeit erregt. Rund zehn Jahre später zeichnen sich die Erfolge des Vereins ab. Es werden "Thüringer Pausbäckchen", Perückentauben oder Mövchen zum Verkauf angeboten.

 

Die Hauptaufgabe des Naturheilvereins, mit offiziellem Titel "Verein für naturgemäße Lebens- und Heilweise", ist die Öffentlichkeitsarbeit. Man informiert über Schmerztherapie und Hypnose, doch am 08. Dezember 1898 auch über die "Ursache und Verhütung von Frauenleiden". Zu dieser Abendveranstaltung ist der Eintritt "Jungfrauen unter 18 Jahren und Männern nicht gestattet".

Bis heute von der Geschichte vergessen, ist die im Jahr 1904 erfolgte Gründung des Licht-, Luft- und Sonnenbades, das sich zwischen der Weidestraße und der Vahldiekstraße befunden hat. Der Anzeiger berichtet am 16. August 1904 von den zu entrichtenden Eintrittspreisen. Allerdings müssen sich die Interessenten den Schlüssel beim Oberpostassistenten Alfred Petersen, Auguststraße 63 (Albert-Mahlstedt-Straße) abholen. Der Naturheilverein, der Träger dieser Anlage gewesen ist, konnte das Licht-, Luft- und Sonnenbad wohl nicht mit festem Personal ausstatten.

 

Um 1900 hatte Eutin bereits drei Radsportvereine: den ersten Eutiner Radfahr-Klub von 1889, den zweite Eutiner Radfahrklub "Wanderlust" und den Arbeiterradfahrklub "Pfeil".

Der Brauereibesitzer Böhmcker in Neudorf wittert seine Chance, er lässt die Öffentlichkeit wissen, dass er beabsichtigt, auf seinem Gelände eine Radrennbahn zu errichten. Das erste Wettfahren zur Eröffnung der neuen Rennbahn findet am 24. Juni des Jahres 1900 statt. Die Bahnlänge beträgt 280 m, die Breite 5 m, der Kurvenradius 20 m, mit einer kurzen Erhöhung der Kurven von 2 m. Während der Rennen findet ein Konzert statt, später im Saal die Preisverteilung, ein Reigenfahren und ein Ball für geladene Gäste. Der Eintritt zum Sattelplatz beträgt 0,75 Mark. Dieses Ereignis ist der Zeitung einen ausführlichen redaktionellen Artikel wert. Es ist davon auszugehen, dass 1.000 bis 2.000 Zuschauer dem Spektakel beigewohnt haben.

 

Einer der Höhepunkte im gesellschaftlichen Leben um die Jahrhundertwende ist das Volksfest, durchgeführt von einem eigens gegründeten Verein. Im Jahre 1907 ist jedoch regelrecht "der Wurm drin", der Termin muss verschoben werden. Das Fest besteht aus den  Lustbarkeiten auf dem Volksfestplatz und aus dem Festumzug. Insgesamt 43 Wagen werden in der Zeitung beschrieben. Besondere Themenwagen, ähnlich den heutigen Karnevalszügen, nehmen aktuelle Ereignisse aufs Korn. Der Start eines Fesselballons wird angekündigt, von dem ein Fallschirmabsprung erfolgen soll, der jedoch – wie sich später herausstellt - zur Enttäuschung der Besucher nur durch eine Puppe simuliert wird. Doch als am Abend der Zug nach Lübeck abgeht, staunt der Lokführer, als er den Ballon vor sich, in den Telefondrähten hängend, erblickt. Er bringt seine Maschine zum Stillstand, Personal und Fahrgäste machen sich an die Bergung und finden im Korb eine Frau, die von einem am Tau hängenden Ballastsack fast stranguliert worden ist. Der Ballon wird aus den Drähten befreit, das Gas abgelassen, und der Zug setzt seine Fahrt wenig später fort.

 

Durch den Bau der Eisenbahnlinien wird nicht nur der regionale Personen- und Güterverkehr stark gefördert. Er trägt auch wesentlich zum Entstehen eines neuen Wirtschaftszweiges in Ostholstein bei, dem des Fremdenverkehrs. Nachdem ab der Jahrhundertwende immer größere Gruppen von Gästen die Stadt aufsuchen, finden sich im Januar 1903 führende Männer zur Gründung eines Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs zusammen.

Im Frühjahr 1906 beginnt eine Debatte über eine Automobilverbindung von Eutin über Sielbeck nach Gremsmühlen. Die Gegner des Projektes befürchten scheuende Pferde und schmutzbespritzte Häuser, die Befürworter argumentieren, dass bei einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 12 km/h keine Gefahren drohen würden. Der Fremdenverkehrsverein engagiert sich auch für die Pläne zur Schiffbarmachung der Schwentine vom Großen Eutiner See bis zum Kellersee. Der Bereich Neumühle soll mit einer Schleuse umgangen werden. Dieses Projekt wird auch intensiv im Gemeinderat erörtert, scheitert aber letztendlich.

 

Diese und noch acht weitere Geschichten über den Altertumsverein, der mit dem Verband zur Pflege und Förderung der Heimatkunde im Eutinischen eng verwandt ist, die zahlreichen Gesangvereine, Sportvereine, den Gartenbauverband und die ersten Aktivitäten im Motorsport finden Sie im Kalender "Eutin in alten Ansichten 2015".

 

Der Kalender ist ab Samstag in der Einkaufswelt von LMK und der Firma Massur zu erwerben. Trotz des aufwändigen Druckverfahrens, das den historischen Bildern einen ganz besonderen Zauber verleiht, wird der Kalender wie schon in den vergangenen Jahren für nur 11,-- € angeboten. Er wurde in einer Auflage von 900 Exemplaren gedruckt. 

Die Originale des Fotomaterials stammen aus dem großen Fundus der Bürgergemeinschaft Eutin. Regine und Karlheinz Jepp haben die Texte erarbeitet; Aloysius Kroll und Elke Kock haben die redaktionelle Überarbeitung übernommen. 

Da die ähnlich gestalteten Kalender der letzten zwanzig Jahre meist bereits vor Weihnachten weitgehend vergriffen waren, hofft der Verein, dass dieses Werk auch in diesem Jahr wieder ein "Renner" wird.

Die Gewinne des Kalenderverkaufs der letzten Jahre kamen unter anderem den Toranlagen des Eutiner Schlossgartens und den Maßnahmen zur Wiederherstellung des Ehrenmals zugute. Auch Baumaßnahmen, die das Bild der Eutiner Innenstadt verschönern, so z. B. in der Stolbergstraße und in der Lübecker Straße, wurden in der Vergangenheit immer wieder von der Bürgergemeinschaft gefördert. Das kürzlich abgeschlossene Großprojekt des Vereins, die Digitalisierung des "Anzeigers für das Fürstentum Lübeck" ab 1802 bis 2006, wurde aus dem Kalendergewinn unterstützt.

 

 

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