Stellungnahme der Bürgergemeinschaft Eutin zu dem Vorwurf, Nazi-Propaganda zu publizieren

Mit großem Unverständnis reagiert der Vorstand auf den durch die Lübecker Nachrichten initiierten Vorwurf, nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten.

 

Das Arbeitsarmenhaus, dessen Geschichte den Text des Monats April 2019 darstellt, gehörtzu den nahezu unbekannten sozialen Einrichtungen in Eutin. Aus diesem Grund hat die Autorin dieses Kapitel der Stadtgeschichte aufgeschlagen. Leider gibt es im Archiv derBürgergemeinschaft Eutin - trotz der immensen Größe von über 10.000 Fotos, Karten und sonstigen Abbildungen - keine Abbildung, die das Arbeitsarmenhaus zur Jahrhundertwende zeigt. Das früheste bekannte Bild ist das im Kalender verwendete, das aus den 1930ern Jahren stammt.Sowohl in der Bildüberschrift als auch im Textteil ist darauf hingewiesen, dass die Abbildung das „Landjahrheim in den 1930er Jahren“ zeigt.

 

Die Aufregung ist umso weniger zu verstehen, als dass auch das Dezemberbild eindeutig in die NS-Zeit führt. Es zeigt auf der Vorderseite den Staffelfackellauf, der das olympische Feuer im Jahr 1936 von Berlin nach Kiel gebracht hat. Die Rückseite beschäftigt sich mit der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Der Text bezieht eindeutig Position gegen das

 

NS-Regime.   Darin   heißt   es   u.   a.   „Mit   ihren   ständig   expandierenden

 

Wohlfahrtseinrichtungen,   Gesundheitsprogrammen   und   sozialfürsorgerischen   Initiativen trägt die NSV wesentlich zur propagandistischen Selbstdarstellung des NS-Regimes bei.“ Damit wird diese Einrichtung als soziale Hilfeeinrichtung ad absurdum geführt, „denn Jüdische   Mitbürgerinnen   und   Mitbürger   fallen   ebenso   durch   das   soziale   Netz   wie Alkoholiker, entlassene Sträflinge und „Asoziale“, die als „hoffnungslose Fälle“ keinen Wert für das von den Nationalsozialisten propagierte „gesunde Volk“ besitzen“. Im Weiteren wird an einen Eutiner Bürger namens Karl Witt erinnert, der sich 1934 mutig gegen das Regime äußert, in dem er schreibt „ dass er der Partei nicht mehr Groschen anvertrauen möchte, bedenke er, wie ungerecht und undankbar ihm bekannte Personen durch Maßnahmen der NSDAP behandelt werden.“ Illustriert wird diese Rückseite durch Bilder der NS-Kreis- und

 

Ortsgruppenleitungen, die selbstverständlich in dieser Zeit NS-Symbole zeigen.

 

 

Übrigens hat die Bürgergemeinschaft Eutin schon seit Jahren immer einmal wieder Bilder aus der NS-Zeit in ihren Kalender verwendet, ohne dass dies irgendwelche Ermittlungen nach   sich   gezogen   hat.   Die   Verfasserin   der  Texte   gilt   als   eine   der   profundesten Kennerinnen der Eutiner Stadtgeschichte, die es immer wieder schafft, für die Leserinnenund Leser der Rückseitentexte - auch wenn diese nicht in jedem Fall geschichtsaffin sind - ein Kapitel der neu Stadtgeschichte aufzublättern und damit in der Öffentlichkeit Interesse für geschichtliche Zusammenhänge zu wecken.

 

Der Notwendigkeit, Stadthistorie öffentlich zu präsentieren, rückte u. a. auch im Jahr 2007 in den Fokus des Vereins. Von den sieben Tafeln, die die Namen der Gefallenen der Stadt- und Landgemeinden Eutins darstellen, wurden im Zuge des Kupferklaus sechs gestohlen. Schnell   war   der   Bürgergemeinschaft   Eutin   klar,   dass   hier   ein   wertvolles   und bedenkenswertes Stück Stadtgeschichte verloren zu gehen drohte. Wir haben uns um die Wiederherstellung der Tafeln gekümmert. Dazu mussten Spenden in nennenswertem Umfang eingeworben werden. Seit dem Volkstrauertag 2009 präsentiert sich das Ehrenmal wieder in altem Glanz, es ist so gut wie nicht sichtbar, dass die Tafeln heute statt aus Metallguss aus Kunststoff bestehen.Uns   haben   die  Aktivitäten   um   die   Ehrenmalstafeln   angeregt,   die   Zeit   des   Ersten Weltkrieges in Eutin noch einmal durch eine Ausstellung zu beleuchten. Im Jahr 2008 konnte der Verein zahlreiche Besucher, besonders Jugendliche, über die Zeitumstände zwischen 1914 und 1918 informieren. Es ist uns auch gelungen, das Schicksal einiger Kriegsteilnehmer nachzuzeichnen. Auch bei dieser Aktion wurde im Vorstand intensiv diskutiert, ob er der Verein sich mit dem Ehrenmal   beschäftigen   sollte.   Die   Entscheidung   fiel   entsprechend   aus,   da   die Gedenkplatten an das Schicksal der zum Teil blutjungen Eutiner erinnern, die im Ersten Weltkrieg hingemetzelt worden sind.

 

 

Der Verein bemüht sich seit über 30 Jahren um eine adäquate Darstellung geschichtlicher Fakten. Dazu ist es zwingend erforderlich, den strafrechtlichen Schutz, den der § 86 Absatz 3 STGB bietet, zu nutzen, denn sonst wäre es dem Verein unmöglich, über Episoden aus der NS-Zeit zu berichten, Schülerinnen und Schüler bei geschichtlichen Referaten zu begleiten, über das Dritte Reich zu forschen und diese Ergebnisse zu publizieren, wie es u.a. mit den Kalender geschieht.

Der in den LN zitierte Prof. Manfred Heinrich vermisst einen Hinweis auf der Rückseite des Kalenders, es bleibt allerdings sein Geheimnis, was denn dort hätte stehen sollen. Der Hinweis auf das Landjahrheim in den 1930er Jahren steht sogar auf der Vorderseite. Die direkte und umfangreiche Positionierung des Vereins zum Thema Sozialeinrichtungen im Dritten Reich findet er auf der Rückseite des Dezemberbildes, möglicherweise ist ihm die allerdings nicht zur Verfügung gestellt worden.

 

 

Der Vorstand wird bei der zukünftigen Verwendung  ähnlicher Bilder auf eine etwas

 

ausführlichere  Bildunterschrift  achten.  Um bei  dem  Verkauf  dieses   Kalenders  keine Irritationen entstehen zu lassen, erhalten die jetzt im Handel befindlichen Kalenderblätter für den Monat April einen punktförmigen Aufkleber, der die Fahne des Anstoßes verdeckt.

 

 

 

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