Vorstellung des „Digitalisierungsprojektes des Ostholsteiner Anzeigers“ im städtischen Kulturausschuss am 16. Mai 2012
Zeitungsarchiv der Eutiner Landesbibliothek - Verfahren, Ablauf und Finanzierung
Auf Initiative der Bürgergemeinschaft Eutin wird das Mikrofilm-Zeitungsarchiv der Eutiner Landesbibliothek in den Jahren 2010 und 2011 digitalisiert. Es werden 369 Mikrofilme aus der Zeit von Oktober 1802 bis Mai 2006 gescannt. Der benötigte Speicherplatz für das komplette Dateivolumen wird etwa 2,5 TB betragen.
Finanziert wird dies aus Mitteln der Bürgergemeinschaft Eutin, des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags (6.000 €) und der Sparkassen-Stiftung Eutiner Landesbibliothek (5.000 €), der Kulturstiftungen des Landes (1.000 €) und des Kreises (1.000 €), der Stadt Eutin (3.000 €) und des Heimatverbandes (2.855 €).
Die Gesamtkosten werden bei 24.000 Euro liegen. Durchgeführt werden die Arbeiten durch die Elbe-Werkstätten Hamburg, einer Tochter der Alsterdorfer Anstalten.
Zugang über die Homepage der Eutiner Landesbibliothek
Der Zugang zu den Digitalisaten ist einfach und auch für am Computer Ungeübte schnell zu bearbeiten. Es ist eine einmalige, kostenfreie Anmeldung notwendig, die nur wenige Minuten in Anspruch nimmt. Damit ist sichergestellt, dass der jeweilige Nutzer auch als Leser der Eutiner Landesbibliothek erfasst wird. Zurzeit gibt es weit über 500 registrierte Leser der digitalisierten Zeitungsausgaben.
Werdegang der Publikation
Im digitalisierten Archiv enthalten sind derzeit - mit wenigen Ausnahmen - alle Ausgaben des "Ostholsteiner Anzeigers" und seiner Vorgängerzeitungen von 1802 bis 1900. Weitere Jahrgänge folgen demnächst. Diese älteste heute noch erscheinende Zeitung Schleswig-Holsteins erschien in diesen Jahren unter folgenden Titeln:
1802 - 1814 |
Eutinische wöchentliche Anzeigen. (1 x wöchentlich 2.10.1802 Oktav-Format) |
1815 - 1867 |
Wöchentliche Anzeigen für das Fürstenthum Lübeck. (1 x wöchentlich) |
[1832 |
zweispaltig in Quart-Format] |
1868 - 1878 |
Anzeigen für das Fürstenthum Lübeck. (2 x wöchentlich) |
[1879 |
Zeitung wird dreispaltig] |
1879 - 1903 |
Anzeiger für das Fürstenthum Lübeck. (2 x wöchentlich) |
1905 - 1933 |
Anzeiger für das Fürstentum Lübeck. (3 x wöchentlich) |
1934 - 1937 |
Anzeiger für das Fürstentum Lübeck. (6 x wöchentlich) |
1938 - Mai 1945 |
Anzeiger für den Landkreis Eutin. |
Juni 1945 - Juli 1946 |
Verkündigungsblatt für Stadt und Landkreis Eutin. |
Juli 1946 - April 1948 |
Amtliches Verkündigungsblatt für den Kreis Eutin. |
April 1948 - Dez. 1948 |
Amtliches Mitteilungsblatt des Kreises Eutin. |
1949 |
Eutiner Anzeiger. |
1950 - Sept. 1955 |
Eutiner Kreis-Anzeiger |
ab Okt. 1955 |
Ostholsteiner Anzeiger. |
Kurzer Einblick in die Zeitungsgründung und ihre Geschichte.
Der Realismus der Aufklärungszeit erreicht im späten 18. Jahrhundert auch Eutin. "Habe den Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen", ist die Devise. Der Eutiner Hofbuchdrucker Benedict Christian Struve, dessen Familie schon seit 1741 in dieser Funktion in Eutin wirkt, erkennt die Chance und beantragt bei der fürstbischöflichen Regierung die Konzession für die Herausgabe eines Wochenblattes im September 1798. Doch nur wenige Tage später erhält er zu seiner Enttäuschung eine Absage. Peter Friedrich Ludwig befürchtet die Verbreitung liberaler oder gar demokratischer Ideen und damit Unruhe in der Bevölkerung.
Der erneute Anstoß zur Gründung eines Wochenblattes kommt wenige Jahre später aus einer ganz anderen Richtung. Behördliche Anordnungen werden sonntags nach dem Gottesdienst von der Kanzel verlesen. Damit erreicht man in der Regel zumindest ein Mitglied jeder Eutiner Familie. Dies wird für die Pastoren mehr und mehr ein Ärgernis, gehören sie doch mit ihren oftmals sehr weltlichen Ansätzen eigentlich nicht in ein Gotteshaus. Dies teilt Superintendent Göschel dem Großherzog mit, der ihm in der Einschätzung zustimmt. Man stellt fest, dass es in Eutin und Umgegend an einem Publikationsorgan fehle, so dass Struve gebeten wird, der Einrichtung eines Wochenblattes näher zu treten.
Dabei behalten sich die Geburtshelfer nicht nur das Zensurrecht vor, sondern Hofbuchdrucker Struve muss neben sämtlichen öffentlichen Bekanntmachungen auch die jedesmaligen Brotpreise, die nahezu wöchentlich schwanken, unentgeltlich abdrucken. Der Preis von Anzeigen und den Veröffentlichungen fremder Behörden sowie der Bezugspreis der Zeitung muss mit der Regierung abgestimmt werden. Dafür bezieht die herzogliche Regierung 30 Zeitungsexemplare.
Struve erhält die Auflage, einen Redakteur zu beschäftigen, der weniger redaktionelle Arbeit, wie sie heute verstanden wird, leistet, sondern erstens darauf zu achten hat, dass keinen staatsgefährdenden Umtrieben Vorschub geleistet wird, und zweitens so genannte "gemeinnützige Nachrichten" verfassen soll.
Als erster Redakteur kann der Voss-Nachfolger Rektor Gabriel Gottfried Bredow gewonnen werden. Er veröffentlicht Lebensbeschreibungen, Sittengeschichte, Erzählungen, Gedichte, Literaturhinweise, Berichte über technische Errungenschaften, Anekdoten und Rätsel. Auch Huldigungen auf den Landesvater fehlen nicht. Zu Fragen der Volksgesundheit steuert Hofrat Dr. Hellwag zahlreiche Beiträge bei. Bereits in der 6. Ausgabe, vom 6. November 1802, widmet Bredow sich auch der Bildung des weiblichen Geschlechtes.
Für Struve ist die Auflage, einen Redakteur zu beschäftigen, ein rechtes Ärgernis. Er hat zwar einen kompetenten Mann, doch erhält dieser 20 Taler Honorar und damit ein Sechstel dessen, was Struve durch die Abonnements einnimmt. Mehrfach versucht Struve diesen überflüssigen Zensor, dessen "belanglose Tätigkeit er selbst ausüben könne", loszuwerden, doch die fürstliche Anordnung bleibt bestehen, bis Georg Struve an die Verlagsspitze rückt. Mit Beginn des Jahres 1838 genehmigt ihm die Regierung, Drucker, Redakteur und Verleger in einer Person zu sein.
Das Verbreitungsgebiet des Anzeigers mutet heute seltsam an. Die Zeitung wird in Lübeck und in Kiel gelesen, Anzeigen aus dem Bereich Itzehoes finden sich genauso wie Annoncen aus Wagrien, dem Plöner Bereich oder dem Süden Lübecks.
Einzelne Beispiele
Hochinteressant sind die kirchlichen Nachrichten, die über Getaufte, Verheiratete und Gestorbene berichten. Doch auch hier ist – fast wie heute – mit Kritik auch schon im frühen 19. Jahrhundert nicht gespart worden: plötzlich setzen die Personenstandberichte aus, weil der Verfasser angefeindet wird, "warum nennt man mich Jungfer, wo ich doch eine Demoiselle bin" – entnervt lässt der Redakteur vermelden, "er wolle nun fortfahren, die Listen abzudrucken, verbäte sich aber für die Zukunft alle Neckereien", so der Anzeiger vom 08. Dezember 1810.
Bereits im Jahr 1830, im Anzeiger vom 13. November, fordert ein Leserbrief die Errichtung einer Sparkasse, übrigens direkt neben einem "Eingesandt", das die Frage aufwirft, wie dem unmäßigen Branntweingenuss als ein, die Gesundheit zerstörendes, Übel abgeholfen werden kann? "Antwort: Durch ein gutes und kräftiges Bier!"
Zu Beginn der 1830er Jahre gibt Hellwag Ratschläge zu Vermeidung der Cholera, und er ist damit sehr erfolgreich, denn im Fürstentum Lübeck gibt es während der Epidemie im Jahr 1832 nur einen einzigen Toten (05. Januar 1833). Er sorgt bei der Regierung dafür, dass aus Sicherheitsgründen der Herbstmarkt ausfällt, wie am 15. Oktober 1831 gemeldet wird. Auch bieten die Buchhandlung Kreutzer und der Hofbuchdrucker Struve diverse Bücher mit Handlungsanweisungen gegen die Krankheit an (Anzeiger vom 25. Juni 1831).
Einen äußerst lebendigen Eindruck auf das gesellschaftliche Leben Eutins geben die Werbeanzeigen. Während Geldgießer Laucke (Anzeiger vom 28.11.1812) noch mit ungeheuer viel Text auf sich und seine Waren aufmerksam macht, sagt Barrierepächter Heitmann schon kurz und knackig, was er an Dienstleistungen übernehmen möchte, siehe Anzeiger vom 12. Juni 1858.
Der Wirt des Viktoria-Hotels Carl Dorgerloh, eine schillernde Gestalt, die nach zehn Jahren Erfahrung in Australien seine Landsleute vor voreiliger Auswanderung warnt, wirbt wortreich und blumig für das Norddeutsche Schützenfest Ende Juli 1862, dies kann ihn aber auch nicht vor wirtschaftliche Schwierigkeiten bewahren, die wahrscheinlich zu seinem plötzlichen Tod am 14. November 1864 geführt haben.
Georg Grantz wirbt am 20. Januar 1875 mit einer der ersten Skizzen in Anzeiger. Obwohl die Fotografie bereits erfunden ist und in Eutin auch schon dauerhaft ein Lichtbildner lebt und arbeitet, wird es noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg dauern, bis auch Fotos in der Zeitung Einzug halten. Trotzdem ist die Ecke Schlossstraße / Königstraße deutlich erkennbar.
Intensiv wird im 19. Jahrhundert der Karneval gefeiert. Die Gastwirte Benn (Markt 11), Tesnau (Kieler = Riemannstraße 7), Struck (Markt 14) und Brey (Königstraße 1) laden herzlich zu Maskeraden, bei denen in der Regel alle – auch Dienstboten - Zutritt haben. Aber auch bei Köpke (Markt 6-8) und Witt (Lübecker Straße 46) wird gefeiert und im Bahnhofs-Hotel bei Gastwirt Franck (Bahnhofstraße 13) findet ein Hunde- und Affentheater statt.
"Die Digitalisierung der Zeitungen ist ein erster aber unabdingbar wichtiger Schritt zur konsequenten Auswertung der einzelnen Zeitungen. Zurzeit werden die Ausgaben des Jahre 1882 systematisch erfasst und durchgearbeitet, dabei wurden bisher etwa 2.000 Seiten Listen angelegt und etwa 45.000 einzelne Einträge zusammengetragen. Der Abschluss des Digitalisierungsprojektes ist für Dezember 2012 geplant, die systematische Auswertung allein des 19. Jahrhunderts wird sich noch mindestens ein Jahr länger hinziehen", so Regine Jepp, Sprecherin der Bürgergemeinschaft Eutin e.V.