Vorstellung des Kalenders 2013

Anlässlich einer kleinen Feierstunde stellt der Vorstand der Eutiner Bürgergemeinschaft e.V. im Beisein des Kreispräsidenten Joachim Wegener, des Eutiner Bürgervorstehers Ernst-Joachim Meseck und des Bürgermeisters Klaus-Dieter Schulz den Eutin-Kalender 2013 vor. Als Veröffentlichungsort hat der Verein das "Kultur-Café" Klausberger gewählt.

 

Dieses Werk, das zum 32. Mal erscheint, ist in der Vergangenheit zu einem beliebten Geschenk für die Bürgerinnen und Bürger Eutins geworden. In den ersten Jahren der Kalendertradition erschienen Federzeichnungen mit bereits abgerissenen oder vom Abriss bedrohten Häusern. Von 1985 bis 1994 erschien der Kalender mit zeitgenössischen Farbfotos und erläuternden Texten auf der Rückseite. Seit 1995 trägt er das Motto "Eutin in alten Ansichten", damit liegt nun die 19. Ausgabe vor. Mit diesen 19 Kalendern existieren nun immerhin auch 247 einzelne Kapitel und bilden damit schon eine stattliche Sammlung stadtgeschichtlicher Episoden.

 

Dreizehn historische Ansichten zeigen Altstadtbilder. Auf den Rückseiten befinden sich ergänzende Ansichten und Auskoppelungen aus dem "Anzeiger für das Fürstentum Lübeck".

Einige Aufnahmen werden insbesondere bei älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern liebevolle Erinnerungen wecken, sie werden bei einigen Ansichten an ihre eigenen Jugendjahre denken. Der umfangreiche Textteil auf den Rückseiten erläutert die Geschichte der jeweiligen Abbildung auf der Vorderseite und beleuchtet auf diese Weise interessante Abschnitte der Stadtgeschichte des 19. Jahrhunderts.

 

Denn…

„Geschichten und Geschichtchen aus dem 19. Jahrhundert“ - so das diesjährige Motto des Kalenders.

 

Nachdem die Bürgergemeinschaft Eutin e.V. im Sommer 2010 die Projektträgerschaft für die Digitalisierung des "Anzeigers für das Fürstenthum Lübeck" übernommen hat, liegt nichts näher, als in diesem Kalender Eutin das 19. Jahrhundert einmal etwas näher zu beleuchten. Das in Historikerkreisen so genannte "lange 19. Jahrhundert" beginnt, wissenschaftlich gesehen, mit der Französischen Revolution im Jahre 1789 und endet mit dem Zusammenbruch der alten Ordnung nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg im Jahre 1918.

Bereits im Jahre 1798 – nur neun Jahre nach der französischen Revolution - hat sich Hofbuchdrucker Benedict Christian Struve um die Konzession zur Herausgabe eines Wochenblattes für das Fürstentum Lübeck bemüht. Doch der Landesherr Peter Friedrich Ludwig scheint die Verbreitung liberaler oder gar demokratischer Ideen und damit Unruhe in der Bevölkerung zu befürchten, so dass er seine Genehmigung nicht erteilt. Erst im Jahr 1802 erhält Struve den Auftrag, eine Zeitung herauszugeben. In dieser Zeit hat Eutin etwa 2.000 Einwohner, doch das Verbreitungsgebiet der jungen Zeitung, die in den ersten Jahren eine Auflage von etwa 200 Exemplaren erreicht, geht weit über die städtischen Grenzen hinaus.

 

Auch Teile der Aktivitäten der Bediensteten am Hof spiegeln sich im Anzeiger wieder. Am 17. Juni 1837, Hofgärtner Rastedt ist tot und Jacob Hinrich Rehder wird erwartet, findet eine große Versteigerung am Hofgärtnerhaus am Jungfernstieg statt. Auch die Bevölkerung nimmt an den Ereignissen im Herzogshaus regen Anteil. Hochzeiten und Geburten werden gefeiert.

Die Bälle zum Geburtstag des Fürstbischofs Peter Friedrich Ludwig führen bei den Gaststätten der Stadt zu einem Wettbewerb um die Ausrichtung. Regelmäßig annonciert der "Begünstige" im Anzeiger und bittet um rege Teilnahme. Auch zum 25-jährigen Thronjubiläum wird in Eutin gefeiert. Der Konditor und Weinschenker Gramstorff lädt am 05. August 1810 ins Rathaus zu einem festlichen Ball ein.

 

Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth wird in deutschen Landen 1835 ein neues Zeitalter eingeläutet. Doch die vielen Kleinstaaten lassen große, länderübergreifende Planungen zunächst undenkbar erscheinen. So ist es nicht verwunderlich, dass es noch fast acht Jahre dauern wird, bis die erste Verbindung zwischen Altona, dem damaligen Elbhafen Dänemarks, und Kiel hergestellt wird. Trotzdem herrscht auch in Eutin reges Interesse am neuen Verkehrsmittel. Im "Anzeiger" wirbt die Buchhandlung Griem für die Schriftenreihe "Eisenbahn-Project". Nach Fertigstellung der Kiel-Altonaer-Verbindung 1844 denkt die Altona-Kieler-Eisenbahn-Gesellschaft (AKE) bereits über einen Abzweiger von Neumünster über Ascheberg, Plön, Eutin und Neustadt nach. Am 23. Mai 1846 macht die hiesige Regierung im Anzeiger bekannt, dass sie dem Komitee Erlaubnis erteilt, auf dem Gebiet des Fürstentums die erforderlichen Vorarbeiten durchzuführen. Es werden allerdings noch weitere zwanzig Jahre vergehen, bis der erste Zug im Eutiner Bahnhof hält.

 

Auch wenn die Zeitungen des 19. Jahrhunderts noch keine Abbildungen beinhalten, so beginnt mit der Entwicklung des Verfahrens der Daguerreotypie auch in Eutin eine Zeit, in der sich zunächst das Bürgertum, aber schon bald große Teile der Gesellschaft, fotografieren lassen. Im Jahr 1858 begründet der Zeichenlehrer Adolph Knoop die Tradition der ortsansässigen Eutiner Fotografen. Knoop unterrichtet an verschiedenen Schulen und richtet sich in der Lübecker Straße 36 mit einem „photographischen Atelier“ ein. Dort entstehen Bilder der Bürger unserer Stadt, für die standesgemäße Umgebung kann der Künstler selbst sorgen. So ist es immer wieder ein repräsentativer Sessel, der sich auf vielen Knoopschen Bildern bis heute findet. Weit vor Albert Giesler und Ferdinand Urbahns bildet er das Voss-Haus und den Marktplatz ab. Am Weihnachtstag des Jahres 1864 lassen Adolph Knoop und Charlotte Behncke im Anzeiger als Verlobte grüßen. Bis in die 1890er Jahre ist Knoop noch als Photograph tätig, dann übergibt er an seinen Nachfolger Ludwig Schöhs.

 

In den ersten beiden Dritteln des 19. Jahrhunderts, in denen in Eutin der Tourismus noch keine Rolle spielt, sind nicht weniger als 35 Gasthäuser innerhalb der Stadt und etwa zehn in den naheliegenden Ortschaften wie Neudorf, Fissau, Sielbeck und Zarnekau zu finden. Der Anzeiger berichtet in unzählbaren Annoncen von Bällen, Tanzvergnügungen, Klubabenden, Konzerten und Belustigungen aller Art. Die bürgerlichen Proteste von 1848 werden in der Neudorfer Brauerei (heute Neudorfer Hof), in der späteren "Alten Grenze" (Riemannstraße 41) und in der Brauerei bei Schlichting (Lübecker Straße 32) durchgeführt. Der Anzeiger berichtet im Jahr 1848 ausführlich über diese Treffen. Auch die Wahlversammlungen für den oldenburgischen Landtag finden bei den genannten Gastwirten statt.

 

Leider wissen wir nicht, wie modebewusst die Eutinerin im 19. Jahrhundert gewesen ist. Aber sicherlich wird sich Dr. Christoph Friedrich Hellwag nicht grundlos Gedanken über die gefährliche Wirkung von Schnürleibchen gemacht haben. In einem vierseitigen Aufsatz, abgedruckt am 3. März 1811, erläutert der Arzt den neuesten Modetrend. Nach seiner Ansicht könne das übertriebene Engschnüren die inneren Organe komprimieren, es beschränke das Atemholen und könne zur Herzermattung führen.

Mehrere Posamentierer, ein Berufszweig, der heute als eigenständiges Handwerk nahezu ausgestorben ist, bringen in Eutin ihre Waren an die Frau. Auch die ersten „Handelsfrauen“ verkaufen Bänder und Federn, Blumen und Spitzen, um damit Blusen und Röcke zu schmücken. Tücher und Schals erfreuen sich großer Beliebtheit. Der Galanteriewarenhändler Grantz wirbt im Oktober 1864 mit "Kopftüchern, Müffchen und Seelenwärmern". Buchbinder Theodor Grantz am Markt vermittelt Zeitschriften, optische Geräte, verkauft Tinte und Federn, aber auch Stickereien.

Etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts hält auch in Eutin die Krinoline Einzug. Zahlreiche Geschäfte bieten Gestelle an, die die Basis für einen weit ausgestellten Rock bilden. In Werbeanzeigen wird darauf hingewiesen, dass diese "Unterbauten" auch bequem wären, etwas, das man im Zeitalter von Jeans und T-Shirt kaum glauben kann. Die Mode des ausklingenden Biedermeier hinterlässt in den 1850er Jahren eine Vielzahl von Unterröcken, mit denen der gewünschte Rockumfang erreicht werden soll.

 

Das 19. Jahrhundert ist die Zeit des erwachenden Körperbewusstseins. Auch der Anzeiger wird zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem Forum, in dem diesbezüglich neue Ideen Verbreitung finden. Sind zu Beginn des Jahrhunderts die Bürger noch darauf angewiesen zu warten, bis ein reisender Zahnarzt in die Stadt kommt und bei einem Gastwirt Logis nimmt, so haben sie 50 Jahre später die Möglichkeit, in der Drogerie von Georg Grantz die "Tooth Ache Drops" zu erwerben und sich so selbst zu kurieren. Kaufmann Johannes Baptist Valsechi verkauft "Serapium – einen Brustsaft mit vegetabilischen Substanzen", der u. a. gegen Lungenschwindsucht helfen soll. Der ursprünglich umherreisende jüdische Zahnarzt Levison hat sich in Eutin so wohl gefühlt, dass er dauerhaft nach Eutin zieht und hier eine Familie gründet. Bereits 1843 teilt uns der "Anzeiger" seinen Übertritt zum evangelischen Glauben mit. Der rührige Kaufmann August Schöning preist am Markt im Jahr 1865 sein Doppelmalzbier als "Gesundheitsbier" an. Das Aderlassen gehört zu den regelmäßig angewandten Heilmethoden. Der Preis für einen gesunden Blutegel beträgt nach der preußischen Arzneitaxe im November 1868 einen Silbergroschen und 10 Pfennige. Der Barbier Diedrich hält diese tierischen Arzneimittel vor.

 

Weitere Kapitel widmen sich dem Kollaborateur Riemann und seinen Ideen, den Vereinen und Verbänden, dem technischen Fortschritt, den Gilden, der militärischen Entwicklung und den ersten Sozialeinrichtungen.

 

Der Kalender ist ab sofort in zahlreichen Eutiner Geschäften (Buchhandlung Am Rosengarten, LMK, Firma Massur) zu erwerben. Trotz des aufwändigen Druckverfahrens, das den historischen Bildern einen ganz besonderen Zauber verleiht, wird der Kalender wie schon in den vergangenen Jahren für nur 11,-- € angeboten. Er wurde in einer Auflage von 900 Exemplaren gedruckt.

 

Die Originale des Fotomaterials stammen aus dem großen Fundus der Bürgergemeinschaft Eutin. Regine und Karlheinz Jepp haben die Texte erarbeitet; Aloysius Kroll und Elke Kock haben die redaktionelle Überarbeitung der Texte übernommen.

 

Da die ähnlich gestalteten Kalender der letzten achtzehn Jahre meist bereits vor Weihnachten weitgehend vergriffen waren, hofft der Verein, dass dieses Werk auch in diesem Jahr wieder ein "Renner" wird.

 

Die Gewinne des Kalenderverkaufs der letzen Jahre kamen unter anderem den Toranlagen des Eutiner Schlossgartens und den Maßnahmen zur Wiederherstellung des Ehrenmals zugute. Auch Baumaßnahmen, die das Bild der Eutiner Innenstadt verschönern, so z. B. in der Stolbergstraße und in der Lübecker Straße, wurden in den letzten Jahren immer wieder von der Bürgergemeinschaft gefördert. Auch das derzeitige Hauptprojekt des Vereins, die Digitalisierung des Anzeigers für das Fürstentum Lübeck" ab 1802 bis 2002, wird aus dem Kalendergewinn unterstützt.

 


zurück