Kalender 2017

Anlässlich einer kleinen Feierstunde stellt der Vorstand der Eutiner Bürgergemeinschaft e.V. im Beisein des Landrates Reinhard Sager, des Bürgervorstehers Dieter Holst und des designierten Bürgermeisters Carsten Behnk den Eutin-Kalender 2016 vor. Als Veröffentlichungsort hat der Verein das Restaurant „Markt 17“ gewählt.

 

Dieses Werk, das zum 36. Mal erscheint, ist in der Vergangenheit zu einem beliebten Geschenk für die Bürgerinnen und Bürger Eutins geworden. In den ersten Jahren der Kalendertradition erschienen Federzeichnungen mit bereits abgerissenen oder vom Abriss bedrohten Häusern. Von 1985 bis 1994 erschien der Kalender mit zeitgenössischen Farbfotos und erläuternden Texten auf der Rückseite. Seit 1995 trägt er das Motto „Eutin in alten Ansichten“, damit liegt nun die 23. Ausgabe vor. Mit diesen 23 Kalendern existieren nun immerhin auch 299 einzelne Kapitel und bilden damit schon eine stattliche Sammlung stadtgeschichtlicher Episoden.

 

Dreizehn historische Ansichten zeigen Altstadtbilder.

 

Auf den Rückseiten befinden sich ergänzende Ansichten. Einige Aufnahmen werden insbesondere bei älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern liebevolle Erinnerungen wecken, sie werden bei einigen Ansichten an ihre eigenen Jugendjahre denken. Der umfangreiche Textteil auf den Rückseiten erläutert die Geschichte der jeweiligen Abbildung auf der Vorderseite und beleuchtet auf diese Weise interessante Abschnitte der Stadtgeschichte.

 

Das Jahr 2017 zwingt nicht gerade die Jubiläen heraus, denn sowohl vor 100 Jahren als auch vor 75 Jahren hat man sich mitten im Weltkrieg befunden.  Und doch lassen sich interessante Jahrestage finden…..

 

So im Jahr 1927, als sich die junge Clärenore Stinnes im Mai 1927 mit zwei Technikern und einem Fotografen aufmacht, die Welt mit dem Automobil zu umrunden. Zu dieser Zeit hat auch in Eutin diese moderne Form der Fortbewegung Einzug gehalten. Obwohl bis zur Jahrhundertwende in der Zeitung nur wenige Erwähnungen von Kraftfahrzeugen zu finden sind, wird doch gelästert: „Die Automobilmanie grassiert jetzt als neueste Modekrankheit in den Köpfen aller Leute, die nicht wissen, was sie mit sich und ihrer Zeit anfangen sollen“.  Der erste nachweislich motorisierte Mann unserer Gegend ist – wie sollte es anders sein – Großherzog Friedrich August. Doch schon 1901 kommt es durch ein Automobil auch zum ersten Unfall. Bei Dodau scheuen die Pferde des Gastwirts Dose, als sie mit einem Motorwagen zusammenstoßen.

 

Und schon damals klagen die Menschen über hohe Benzinpreise, ein Phänomen, das uns seltsam vertraut erscheint. Während der Kraftstoff zunächst in Apotheken angeboten wird, ist zu erfahren, dass bei Keetz in der Kieler Straße (Riemannstraße) schon im Jahr 1921 „Drapolin“ zu haben ist. Ein Liter „Motalin“, das neue klopffeste Benzin, kostet im Jahr 1927 33 Pfennig, und damit etwa so viel wie ein Pfund Heringe.

 

Ebenfalls im Jahr 1927 mehren sich die Lichtspielaufführungen, die sich mit dem Schicksal unehelicher Kinder, dem von Prostituierten oder auch Erbkrankheiten widmen. Die Weimarer Republik bemüht sich um Volkserziehung. In diesem Jahr wird ein Film aufgeführt, der sich mit einer Randgruppe der Gesellschaft beschäftigt: den Taub-Blinden. „Sprechende Hände“ – ein Werk von Gertrud David - beschreibt die Lage der Behinderten in einer für die damalige Zeit revolutionär modernen Einrichtung. Zu einer Zeit, in der Behinderte noch schlicht „Krüppel“ genannt werden, ist es nicht selbstverständlich, dass man sich in einer überwiegend konservativen Kleinstadt wie Eutin diesem Thema zuwendet, doch im März 1927 wird im Schlosshotel am Markt diese bemerkenswerte Dokumentation gezeigt. Heute sprechen wir über Inklusion, aber vor 90 Jahren wurden Menschen, die nicht dem Menschenbild der Mehrheit entsprachen, in der Regel noch weggesperrt.

 

Haben heute Bürgermeisterwahlkämpfe ihre eigene Dramatik, so ging ein solcher Vorgang früher doch eher ruhig vonstatten. Im Jahre 1867 - also vor 150 Jahren – tritt der Advokat Albert Völckers das Amt des Eutiner Bürgermeisters an. Er ist zu dieser Zeit bereits seit vielen Jahren in Eutin politisch tätig und dient der Stadt in verschiedenen Gremien und Kommissionen.

 

Zwischen 1867 und 1891 werden für die Stadt bedeutende Entscheidungen getroffen. Gemeinsam mit dem Kaufmann C. F. Janus, Oberlehrer Kirchmann und Wegeinspektor E. Bruhns setzt sich Völckers schon zu seiner Zeit als Kommunalpolitiker stark für einen Anschluss Eutins an das entstehende Eisenbahnnetz ein. 1873 wird die freiwillige Feuerwehr Eutin gegründet, wenig später beginnen die Arbeiten am Julien-Hospital, dem späteren Kreiskrankenhaus. Völckers schafft es, neben städtischen Geldern auch Mäzene zu gewinnen, um diese gewaltigen Projekte zu stemmen. Er ist der letzte Verwaltungschef, der im so genannten „Bürgermeisterhaus“, Schlossstraße 2, wohnt. Am 18. Juni 1891 stirbt Albert Völckers nach einer Lungenentzündung. Er ist 24 Jahre im Amt, doch sein Nachfolger Albert Mahlstedt wird auf 37 Dienstjahre kommen.

 

So wie das Jahr 2017 planmäßig zu einem interessanten Wahljahr werden soll, so sind die Einwohner Eutins auch vor 50 Jahren gespannt, wie sich die politische Situation entwickeln wird. Zu den Landtagswahlen im April 1967 werben zahlreiche Politiker um die Eutiner Wählerschaft.  So trägt sich anlässlich seines Besuches in der Stadt am 18. April auch der Bundesaußenminister Willy Brandt in Anwesenheit des Bürgervorstehers Kurt Brinck und des Bürgermeisters Friedrich Knutzen in das Goldene Buch der Stadt Eutin ein. Im überfüllten Saal der Schlossterrassen spricht der Vizekanzler vor über 800 Personen.

 

Nach der Wahl am 23. April ergeben sich keine größeren Verschiebungen im politischen Kräfteverhältnis. Der Kreis Eutin ist mit drei Abgeordneten im neuen Landtag vertreten. Es sind: Fritz Latendorf und Werner Simann von der CDU sowie Klaus Konrad, der für die SPD kandidiert hat.

 

In diesem Jahr zieht die NPD nicht nur in den Landtag von Schleswig Holstein, sondern auch in die Parlamente von Bremen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen ein. Der Eutiner Arzt Dr. Werner Berggold kandidiert für die NPD, eine rechtsextreme Partei, die 1964 gegründet worden ist.

 

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg bahnt sich in Eutin 1947 ein Großereignis an: der „Europa-Kongress“. Doch wie sieht das Leben in der Stadt aus: Die Lebensumstände sind katastrophal, die Wohnungssituation ist in vielen Fällen menschenunwürdig, der Winter lang und sehr kalt. Die Stadt platzt aus allen Nähten, denn Eutin beherbergt über 20.000 Menschen in seinen Mauern, u. a. eine große Anzahl von Flüchtlingen. Und in dieser Zeit steht ein politisches Großereignis in Aussicht: Die Schweizer Europa-Union plant den ersten Europa-Kongress im Juni. Ziel dieser Institution ist der Aufbau föderaler und demokratischer Strukturen, um die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Das „Amtliche Verkündungsblatt für den Kreis Eutin“ veröffentlicht am 14. Juni 1947 folgenden Appell:

 

„Ganz überraschend ist Eutin zur Kongreßstadt für die Tagung des ersten Europa-Kongresses der überparteilichen Europäischen Einigungsbewegung „Europa-Union“ erhoben worden. … Es gilt, 350 Delegierten aus der britischen, amerikanischen, französischen und russischen Zone sowie aus dem Ausland Gastfreundschaft in Form von vorübergehenden Notunterkünften zu gewähren in der Zeit vom 21. bis 23. Juni 1947. Das Hotel- und Gastwirtsgewerbe hat seine volle Unterstützung zugesagt, aber darüber hinaus gilt es, Notbetten, gleich welcher Art, gegen Entgelt, falls gewünscht, in Privathäusern aufzuschlagen. Für Morgenkaffee und Verpflegung wird anderweitig gesorgt.“

 

Eutin hat die Herausforderung gut gemeistert, denn schon zwei Jahre später wird das erste große Pommerntreffen mit über 9.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern feierlich begangen.

 

Im Jahr 1927 ist eine Jugendherberge nicht weniger wichtig als im Jahr 2017. Schon lange bemüht sich die Stadt um die Ansiedlung einer solchen Einrichtung. Der Stadtrat beschäftigt sich sowohl im April als auch im Mai mit einem möglichen Standort. Man schwankt zwischen einem Platz bei den Kasernen und der Hopfenwiese. Doch dann kommt der Entwicklung der Zufall zur Hilfe. Der Anzeiger vom 06. September 1927 vermeldet:

 

„Gestern abend um 10 Uhr erhellte plötzlich einer starker Feuerschein den Himmel und erleuchtete Wasser- und Kirchturm und den Großen See weithin in magischem Schein. Wie sich sogleich herausstellte, stand die auf dem Kamp gelegene Mühle des Herrn Wiese im Flammen. … Den zahlreich herbeigeeilten Zuschauern bot sich ein schaurig-schöner Anblick. Die schöne, weit sichtbare Windmühle werden gewiß viele in unserem Landschaftsbild vermissen.“

 

Da baureife Pläne für die Errichtung der Jugendherberge vorliegen, kann sofort begonnen. Am 06. Mai 1929 wird Einweihung gefeiert. Die Jugendherberge hat bis zu ihrem Umbau 1977 zehn Schlafräume mit insgesamt 116 Betten und vier Leiterzimmer mit acht Betten. Das Haus wird gut angenommen, denn die Übernachtungszahlen verdoppeln sich von 1929 bis 1939. Im August 1939 wird es für die Wehrmacht beschlagnahmt, die Gäste müssen nach Sielbeck umziehen.

 

Zum ersten Mal steht in Eutin keine einfache Übernachtungsmöglichkeit für Jugendliche zur Verfügung. Ein Zustand, der sich ab Oktober 2007 wiederholen wird. 

 

Dieses und viel mehr können Sie im Kalender 2017 der Bürgergemeinschaft Eutin e.V. nachlesen.

 

Der Kalender ist ab sofort in den Eutiner Geschäften von LMK, Massur und beim Juwelier Dieter Schönke zu erwerben. Trotz des aufwändigen Druckverfahrens, das den historischen Bildern einen ganz besonderen Zauber verleiht, wird der Kalender wie schon in den vergangenen Jahren für nur 11,-- € angeboten. Er wurde in einer Auflage von 900 Exemplaren gedruckt.

 

Die Originale des Fotomaterials stammen aus dem großen Fundus der Bürgergemeinschaft Eutin. Aloysius Kroll und Elke Kock haben die redaktionelle Überarbeitung der Texte übernommen.

 

Da die ähnlich gestalteten Kalender der letzten zweiundzwanzig Jahre meist bereits vor Weihnachten weitgehend vergriffen waren, hofft der Verein, dass das Werk auch in diesem Jahr wieder ein „Renner“ wird.

 

Die Gewinne des Kalenderverkaufs der letzten Jahre kamen unter anderem den Toranlagen des Eutiner Schlossgartens und den Maßnahmen zur Wiederherstellung des Ehrenmals zugute. Auch das letzte Großprojekt des Vereins, die Digitalisierung des „Anzeigers für das Fürstentum Lübeck“, wurde aus dem Kalendergewinn unterstützt. Baumaßnahmen, die das Bild der Eutiner Innenstadt verschönern, so z. B. in der Stolbergstraße und in der Lübecker Straße, wurden in der Vergangenheit ebenfalls immer wieder von der Bürgergemeinschaft gefördert.

 

 

 

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