Kalender 2019
Anlässlich einer kleinen Feierstunde stellt der Vorstand der Eutiner
Bürgergemeinschaft e.V. im Beisein der stellvertretenden Kreispräsidentin Bärbel
Seehusen und dem Bürgervorsteher Dieter Holst den Eutin-Kalender 2019 vor. Als Veröffentlichungsort hat der Verein das historische Weber-Café gewählt.
Dieses Werk, das zum 38. Mal erscheint, ist in der Vergangenheit zu einem
beliebten Geschenk für die Bürgerinnen und Bürger Eutins geworden. In den ersten
Jahren der Kalendertradition erschienen Federzeichnungen mit bereits
abgerissenen oder vom Abriss bedrohten Häusern. Von 1985 bis 1994 erschien der
Kalender mit zeitgenössischen Farbfotos und erläuternden Texten auf der Rückseite.
Seit 1995 trägt er das Motto „Eutin in alten Ansichten“, damit liegt nun die 25.
Ausgabe vor. Mit diesen 25 Kalendern existieren nun immerhin auch 325 einzelne
Kapitel und bilden damit schon eine stattliche Sammlung stadtgeschichtlicher
Episoden.
Dreizehn historische Ansichten zeigen Altstadtbilder.
Auf den Rückseiten befinden sich ergänzende Ansichten. Einige Aufnahmen werden
insbesondere bei älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern liebevolle Erinnerungen
wecken, sie werden bei einigen Ansichten an ihre eigenen Jugendjahre denken. Der
umfangreiche Textteil auf den Rückseiten erläutert die Geschichte der jeweiligen
Abbildung auf der Vorderseite und beleuchtet auf diese Weise interessante
Abschnitte der Stadtgeschichte.
Die allgemeine politische Diskussion im Jahr 2017 hat die Autorin angeregt, sich
einmal mit den Sozialeinrichtungen Eutins zu beschäftigen.
Während zunächst die kommunale Sozialfürsorge in den Händen der sog.
Armenväter liegt, die sich um minderbemittelte Kranke und Alte in ihrem Bezirk
kümmern, versorgen größere Familien in der Regel eine bedürftige Person, den sog.
„Hausarmen“, der im Schuppen nächtigt und aus der Küche des Haushaltes mit
beköstigt wird. Inwieweit die Familien sich ihre Mildtätigkeit abarbeiten lassen, ist
nicht geklärt, allerdings sprechen Annoncen, wie die aus Mai 1825, eine eindeutige
Sprache. Es werden „ein Mann in den 30 Jahren alt, wegen erfrorener Füße, die
der Gestalt wieder geheilt sind, dass er leichte und besonders sitzende Arbeiten
wieder verrichten kann“ oder auch „ein Mann, 81 Jahre alt, der gesund ist und zu
leichten Arbeiten, besonders aber zu Drechsler-Arbeiten in Holz noch gebraucht
werden kann“ angepriesen.
Um 1860 geben sich einige Damen der sog. besseren Gesellschaft Statuten und
ergänzen damit ganz offiziell die städtische und die kirchliche Armenfürsorge. Der
„Vaterländische Frauenverein“ übernimmt die Sozialfürsorge auch zu Kriegszeiten
1864, 1866 und 1870/71. 1872 entwickelt sich aus dieser Vereinigung das „Rote
Kreuz“. Es werden Krankenpflegerinnen ausgebildet, Weihnachtsfeiern für
Bedürftige abgehalten und eine Mütterberatung durchgeführt. Wenig später wird
beschlossen, das Haus Stolbergstraße 8 anzukaufen.
1879 wird unter großer Beteiligung der Eutiner Bevölkerung das Krankenhaus
eingeweiht, auch hier sind es wieder Frauen, die die Spendenbereitschaft der
Bevölkerung anheizen, so werden Gemälde versteigert, Benefiz-Konzerte
veranstaltet, selbst gespendeter Schmuck kommt zum Einsatz. „Erspartes an Putz,
kommt Kranken zum Nutz“, so heißt es 1879.
1882 wird das Arbeits-Armenhaus der Stadt eingeweiht, das später als Landjahrheim
und als Schule genutzt wird. 1887 finden wandernde Handwerksburschen in der
Herberge zur Heimat Unterkunft und Verpflegung.
Ab 1896 erhalten „altersschwache unbemittelte Bürger“ im Bürgerheim eine
Heimstätte. Ihr Zweck ist „unbescholtenen hülfsbedürftigen Personen beiderlei
Geschlechts aus dem Bürgerstand - vornehmlich aus dem Handwerkerstande - der
Stadt Eutin, sobald dieselben das 60. Lebensjahr überschritten und mindestens 15
Jahre ihren Wohnsitz in Eutin hatten, in dasselbe aufzunehmen“. Diese „Sozialfälle“
erhalten eine kleine Wohnung, Material für Feuerung und Licht.
Sechs Jahre vor dem Ersten Weltkrieg errichtet der Lübecker Konsumverein in der
Stolbergstraße eine Warenabgabestelle. Nachdem das Haus im Juni 1919 durch
einen Brand zerstört wird, entsteht auf den Trümmern der abgebrannten
Gastwirtschaft am Markt ein neues Gebäude. Den Nazis sind die
Konsumgenossenschaften von Anfang an ein Dorn im Auge. Schon 1932 beginnen
die Repressalien. Am 31. Juli 1932 erreicht mit einem nächtlichen Brandangriff auf
die Abgabestelle des Konsumvereins die Unterdrückung in Eutin ein bisher nicht
gekanntes Maß. Der Filialleiter des Konsums, Paul Hensel, der im Gebäude an der
Stolbergstraße wohnt, wird nur durch einen glücklichen Zufall nicht lebensgefährlich
verletzt.
Im Oktober 1910 kommen drei katholische Krankenschwestern - Graue Schwestern
aus dem Mutterhaus in Breslau - nach Eutin. Mit einem Gottesdienst werden
Gebharda, Nikolawa und Itwara in ihren Wirkungskreis eingeführt. Pfarrer Hülster
betont in seiner Ansprache: „...das Arbeitsfeld der Schwestern befinde sich in eine
Stadt, deren Einwohner, gleichviel welcher Konfession sie angehörten, den
entschiedenen Willen zeigten, mit einander in Eintracht zu leben.“ Durch die
ambulante Krankenpflege erwerben sich die Schwestern schnell das Vertrauen in
der Bevölkerung. So liegt es nahe, dass schon bald von vielen Seiten die
Einrichtung eines kleinen Krankenhauses angeregt und gewünscht wird. Trotz
baulicher und finanzieller Schwierigkeiten gelingt es, 1932 ein kleines katholisches
Krankenhaus mit 14 Betten zu eröffnen.
Während des ersten Weltkriegs gibt es auch in einer ländlichen Kleinstadt wie Eutin
massive Schwierigkeiten in der Lebensmittelversorgung. Die öffentliche
Speiseanstalt, jetzt „Kriegsküche“ genannt, gibt in dieser Zeit monatlich etwa 10.000
Essenportionen zum Selbstkostenpreis ab. In den letzten Kriegsmonaten liegt die
durchschnittliche Tagesleistung der Anstalt bei 600 Portionen, was bedeutet, dass
ungefähr 10 % der Eutiner Bürger regelmäßig durch Massenspeisung versorgt
werden müssen.“
Bereits im Jahr 1915 erhält die Eutiner Fleisch- und Wurstkonservenfabrik von
Wilhelm Strahlendorf, Friedrichstraße 10, den Auftrag, monatlich 100.000 kg
Rindfleisch im eigenen Saft zu kochen. Es müssen täglich 25 Rinder komplett
verarbeitet werden. Die Haltbarkeitsgarantie setzt peinliche Sauberkeit voraus. Die
Zeitung meldet am 10. November, dass in der Strahlendorfschen Wurstfabrik
Arbeiterinnen entlassen worden sind, weil sie kleine Fleischstückchen und Flomen
gestohlen haben. Das gerichtliche Nachspiel: Am 18. Dezember verurteilt das
Eutiner Schöffengericht drei Arbeiterinnen, die sich des Mundraubs nach § 370 Ziffer
5 St.G.B. schuldig gemacht haben, zu Haft- bzw. Geldstrafen.
Weitaus schlimmer sind die so genannten Sülze-Unruhen, die Hamburg erschüttern.
Hungernde Frauen vermuten, dass Kadaver von Hunden, Katzen und Ratten zu
Sülze verarbeitet werden. Im Zuge gewalttätiger Unruhen sind am Ende 80
Todesopfer zu beklagen, der Fleischfabrikant kann nur mit Mühe vor dem Lynchtod
geschützt werden und kommt ins Gefängnis.
Im Jahr 1925 wird in Eutin ein Ortsausschuss der Arbeiterwohlfahrt gegründet.
Schnell werden bedürftige Wöchnerinnen mit Babykörben ausgerüstet und Kinder
wie Eltern können Plätze in einem Genesungsheim erhalten. Im Rahmen der ersten
Weihnachtsaktionen erhalten Alte und Notleidende Lebensmittelpakete und
Kleidung. Unermüdliche Helferinnen übernehmen die Verpflegung kinderreicher
Familien und Pflegebedürftiger.
Im Mai 1933 werden die Geschäftsstellen der AWO reichsweit besetzt,
verantwortliche AWO-Leiter werden verhaftet, Bankkonten beschlagnahmt, denn
während des Dritten Reiches ist die 1932 in Berlin gegründete NS-Volkswohlfahrt
(NSV) der zen-trale Sozialverband. Mit ihren ständig expandierenden
Wohlfahrtseinrichtungen, Gesundheitsprogrammen und sozialfürsorgerischen
Initiativen trägt die NSV wesentlich zur propagandistischen Selbstdarstellung des
NS-Regimes bei.
Die Wohlfahrtspflege der NSDAP dient in erster Linie nicht der Fürsorge für den
Einzelnen, sondern der Stärkung der rassisch definierten Volksgemeinschaft.
Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger fallen ebenso durch das soziale Netz wie
Alkoholiker, entlassene Sträflinge und „Asoziale“, die als „hoffnungslose Fälle“
keinen Wert für das von den Nationalsozialisten propagierte „gesunde Volk“
besitzen. Die NSV betreibt auch Kindergärten, in denen Parteimitglieder Kinder
erziehen, getreu dem Hitler-Motto: „Händchen falten, Köpfchen senken - immer an
den Führer denken.“
In Eutin rührt NSDAP-Ortsgruppenleiter Möding eifrig die Werbetrommel. Doch die
Spendenlisten sind nicht etwa anonym, so wird Privatmann Karl Witt 1934
aufgefordert, bei der nächsten „Eintopfsammlung“ eine Spende zu geben, die seinen
Einkommensverhältnissen entspricht. Mutig antwortet er, dass er der Partei nicht
mehr Groschen anvertrauen möchte, bedenke er, wie ungerecht und undankbar ihm
bekannte Personen durch Maßnahmen der NSDAP behandelt werden.
Dieses und viel mehr können Sie im Kalender 2019 der Bürgergemeinschaft Eutin
e.V. nachlesen.
Der Kalender ist ab Freitag in den Eutiner Geschäften von LMK und bei Buch &
Graphik Hoffmann zu erwerben. Er wird für 12,-- Euro angeboten und wurde in einer
Auflage von 800 Exemplaren gedruckt.
Die Originale des Fotomaterials stammen aus dem großen Fundus der
Bürgergemeinschaft Eutin. Aloysius Kroll und Elke Kock haben die redaktionelle
Überarbeitung der Texte übernommen. Die Texte stammen von Karlheinz und
Regine Jepp.
Da die ähnlich gestalteten Kalender der letzten 24 Jahre meist bereits vor
Weihnachten weitgehend vergriffen waren, hofft der Verein, dass das Werk auch in
diesem Jahr wieder ein „Renner“ wird.
Die Gewinne des Kalenderverkaufs der letzten Jahre kamen unter anderem den
Toranlagen des Eutiner Schlossgartens und den Maßnahmen zur Wiederherstellung
des Ehrenmals zugute. Auch das letzte Großprojekt des Vereins, die Digitalisierung
des „Anzeigers für das Fürstentum Lübeck“, wurde aus dem Kalendergewinn
unterstützt. Baumaßnahmen, die das Bild der Eutiner Innenstadt verschönern, so z.
B. in der Stolbergstraße und in der Lübecker Straße, wurden in der Vergangenheit
ebenfalls immer wieder von der Bürgergemeinschaft gefördert. Auch der Eutiner
Wochenmarkt wurde in der jüngeren Vergangenheit mit Vereinsmitteln unterstützt.