Schule und "Einjährige"

Klassenfoto um 1900
Klassenfoto um 1900

Am 05. August 1914, dem ersten Tag nach den Sommerferien, melden sich 41 Schüler des Eutiner Gymnasiums, das zu dieser Zeit 164 Schüler hat, als Kriegsfreiwillige. Im Laufe der nächsten Monate und Jahre absolvieren zahlreiche weitere Schüler die so genannten Notprüfungen und gehen so von der Schulbank direkt ins Feld.

Von dem Eutiner Arzt Dr. Wittern, der in mehr als 50 Berufsjahren Hausarzt vieler Familien gewesen war, ist bekannt, dass er eine ebenso humorvolle wie auch derbe Art gehabt hat. Allgemein nennt man ihn „Siegreich“, einen Spitznamen, den er durch seinen Entscheid bei den militärischen Musterungen während des Ersten Weltkrieges erhalten haben soll. Wenn er glaubt, es mit Drückebergern zu tun zu haben, so lautet sein Urteil oft: „Kriegsverwendungsfähig! Siegreich vorwärts, Tommies greifen!“

Bereits Mitte August 1914 vermeldet der Anzeiger für das Fürstentum die ersten Eutiner Kriegstoten. Otto Willert aus Bockholt, ein 22jähriger Tambour fällt in Belgien. Er ist der erste von vier Söhnen, die diese Familie im Krieg verlieren wird.

Auch die Schüler des Eutiner Gymnasiums melden die ersten gefallenen Schulkameraden.

Es sind bekannte Eutiner Namen, die der ersten Kriegstoten: Karl Piehl, der Vater ist der Wirt der Alten Kalkhütte, die Schwester eine begabte Sängerin, Hellmuth Harms, Sohn des Pastors Max Harms, der später maßgeblich an der Gestaltung des Ehrenmals mitwirkt, Willi Schade, Sohn des Bäckermeisters Friedrich Schade, der selbst in Frankreich kämpft.

Walter Rulffs stirbt im Oktober 1914 in den Armen seine Schulfreunde Werner Busecke  und Asmus Möller, die selbst im November fallen.

Sie sind die ersten, denen später noch viele, viele folgen werden. Insgesamt werden 104 ehemalige Schüler des Eutiner Gymnasiums Opfer dieses Krieges.

Klassenfoto um 1904
Klassenfoto um 1904
Klassenfoto um 1905
Klassenfoto um 1905

Der Einjährig Freiwillige war grundsätzlich ein Wehrpflichtiger mit höherem Schulabschluss (Mittlere Reife, Abitur), der nach freiwilliger Meldung einen Wehrdienst abgeleistet hat, und nach dem Abschluss der Grundausbildung als Offizier einem Truppenteil dienen konnte. Als erste Nation überhaupt führte Preußen 1813 die Möglichkeit zum Dienst als Einjährig-Freiwilliger als eine verkürzte Form des Wehrdienstes ein. Der Einjährig-Freiwillige diente ein Jahr statt der sonst üblichen zwei oder drei Jahre, musste sich aber auf eigene Kosten ausrüsten und versorgen. Darum kamen als Einjährig-Freiwillige in der Regel nur die Söhne wohlhabender Familien in Frage. Nach Ableistung des Dienstjahres und zweier Militärübungen wurden die Einjährig-Freiwilligen üblicherweise zu Offizieren des Beurlaubtenstandes (Reserve) weiterbefördert.Unabdingbare Voraussetzung war, dass der Anwärter die mittlere Reife (Sekundarreife) an einem Gymnasium oder einer Mittelschule erworben hatte. Aus diesem Grund wurde das Examen der Mittleren Reife lange Zeit auch als „das Einjährige“ bezeichnet.

Eutiner Abiturienten 1911
Eutiner Abiturienten 1911

 

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